BDSM-Erfahrungsbericht aus Sicht einer Neueinsteigerin
Kapitel 1 – Ein leises Ziehen unter der Oberfläche
Wenn ich zurückblicke, hat es schon viel früher begonnen, als ich mir eingestehen wollte. Dieses diffuse Gefühl, dass da etwas fehlt. Nicht in der Liebe. Nicht im Sex. Sondern in mir. Ich hatte Beziehungen, auch erfüllende. Doch da war immer diese kleine Sehnsucht, irgendwo zwischen Hingabe und Spannung. Ich wusste nur nicht, wie ich sie benennen sollte.
Erst als ich zufällig bei einem Roman auf das Wort „Submissive“ stieß, begann sich etwas in mir zu regen. Nicht im Sinne von „gehorchen“, sondern im Sinne von zulassen. Mich fallen lassen. Nicht mehr die Starke, Kontrollierte, die Alles-im-Griff-Haberin sein – sondern einfach ich. Offen. Neugierig. Und vielleicht sogar verletzlich.
Ich googelte „BDSM“. Zuerst zögerlich. Dann stundenlang.
Kapitel 2 – Zwischen Faszination und Angst
Was ich fand, war mehr als ich erwartet hatte. Ich las Begriffe wie SSC – Safe, Sane, Consensual. Ich entdeckte Foren, in denen nicht geschrien, sondern gesprochen wurde. In denen Menschen von ihren Erfahrungen erzählten – mit Ehrlichkeit, Tiefgang und Respekt.
Und ich spürte: Ich war nicht allein.
Doch gleichzeitig war da diese Unsicherheit: Bin ich „so eine“? Was, wenn man mich verurteilt? Was, wenn ich mich selbst verliere? Ich war nicht bereit, sofort loszurennen. Aber ich war bereit, zuzuhören.
In einem Forum schrieb ich meine erste Nachricht: „Hallo, ich bin neu. Ich weiß noch nicht, was ich suche. Aber ich möchte lernen.“
Die Antwort kam keine zehn Minuten später:
„Du hast gerade den wichtigsten Schritt gemacht. Willkommen.“
Kapitel 3 – Erste Kontakte, erste Zweifel
Ich sprach mit anderen Frauen – Neueinsteigerinnen, Switches, erfahrenen Subs. Und ich lernte: BDSM ist nicht schwarz oder weiß. Es ist nicht nur hart oder weich. Es ist ein Kontinuum. Und jeder Mensch darf sich seinen Platz selbst suchen.
Ich stieß auf die Idee von Machtgefällen. Von Vertrauen durch Kontrolle. Von bewusst gesetzten Grenzen. Und ich begann, meine eigenen zu erkennen:
• Ich wollte nicht erniedrigt werden.
• Ich wollte nicht „verloren“ gehen.
• Ich wollte spüren.
• Und ich wollte frei sein, auch in der Unterwerfung.
Klingt paradox? Ist es nicht. Es ist vielleicht das schönste Paradox, das ich je erlebt habe.
Kapitel 4 – Der erste reale Schritt
Ein Dom schrieb mir – höflich, ruhig, sachlich. Kein „Komm zu mir, ich erziehe dich“-Quatsch, sondern:
„Wenn du magst, kann ich dir erklären, was es für mich bedeutet, Dom zu sein.“
Ich mochte. Und wir schrieben. Tagelang. Über Grenzen. Erwartungen. Fantasien. Verletzlichkeit. Und irgendwann auch über ein mögliches Treffen – ganz ohne Spiel. Nur Kaffee. Nur Austausch. Nur… schauen, ob Vertrauen wachsen kann.
Ich fuhr mit Herzklopfen. Und ich kam mit einem Lächeln zurück. Kein Druck, kein Angebot, kein Zwang. Nur Respekt. Das war für mich der erste Beweis: BDSM ist kein Machtmissbrauch. Sondern ein Angebot.
Kapitel 5 – Die erste Session
Ein paar Wochen später wagte ich es: Ich wollte mich führen lassen. Wir planten gemeinsam – intensiv, ehrlich. Kein Detail war zu klein, keine Frage zu naiv.
Ich war nervös. Sehr sogar. Aber als ich bei ihm ankam, war da dieses Gefühl von… Ruhe. Alles war vorbereitet. Musik. Licht. Sicherheit. Er ließ mich entscheiden, wann es losgeht. Und als ich nickte, begann er mich langsam zu fesseln.
Es war kein Schmerz. Es war Spannung. Nähe. Kontrolle. Und immer wieder die Frage: „Ist alles gut?“ Ich nickte. Ich schwebte. Ich flog.
Als ich am Ende in seine Arme sank, wusste ich: Das war mehr als ein Spiel. Das war ein Vertrauensbeweis. Ein intensives Miteinander. Und es fühlte sich richtig an.
Kapitel 6 – Was ich gelernt habe
Ich habe so viel über mich gelernt in den Monaten danach – nicht nur sexuell, sondern emotional.
• Dass es okay ist, schwach zu sein.
• Dass Hingabe Kraft ist – keine Schwäche.
• Dass es einen Unterschied macht, ob jemand dominiert oder ob jemand führt.
• Und dass ich meine eigene Stimme dabei niemals verliere.
Ich habe BDSM nicht als Ausbruch kennengelernt, sondern als Rückkehr zu mir selbst. Ich habe Seiten an mir entdeckt, die ich vorher nicht kannte – weichere, wildere, tiefere.
Und ich habe gelernt: Eine Session beginnt lange vor dem ersten Berühren. Und sie endet nicht mit dem letzten Seufzen. Da ist Nachsorge. Da ist Nähe. Da ist das Gespräch danach – manchmal das Wichtigste von allem.
Kapitel 7 – Die Vorteile, die niemand sieht
Wenn ich Freundinnen davon erzähle, kommen oft dieselben Fragen: „Tut das nicht weh? Hast du keine Angst, dich zu verlieren? Ist das nicht gefährlich?“
Und ich antworte:
Es tut manchmal weh – aber nie gegen meinen Willen.
Ich verliere mich nicht – ich finde mich.
Gefährlich? Nur wenn man schweigt. Aber wir reden. Immer.
Ich habe durch BDSM gelernt:
• offen zu kommunizieren, auch im Alltag
• Nein zu sagen, ohne Schuldgefühl
• Vertrauen aufzubauen, ganz ohne Maske
• Klarheit zu schaffen, wo früher Unausgesprochenes war
• meinen Körper anzunehmen, mit all seinen Reaktionen
Kapitel 8 – Ich bin keine andere geworden. Ich bin mehr ich.
Ich bin heute nicht jemand völlig Neues. Aber ich bin eine Frau, die mehr über sich weiß. Die sich mehr erlaubt. Die Grenzen erkennt – und respektieren lässt. Die Lust nicht versteckt, sondern lebt. Und die weiß, dass BDSM nicht das Ende der Zärtlichkeit ist, sondern vielleicht ihre ehrlichste Form.
Ich bin nicht „die typische Sub“. Es gibt sie nicht. Ich bin ich. Mal devot, mal neugierig, mal zurückhaltend. Aber immer ich selbst.
Kapitel 9 – Ein Satz für alle, die sich fragen
Wenn du das liest und denkst: „Das klingt spannend – aber ich weiß nicht, ob das etwas für mich ist…“, dann sag ich dir:
Du musst nicht wissen, wo dein Weg hinführt. Du musst nur den ersten Schritt machen.
BDSM ist kein Club mit Eintrittskarte. Es ist ein Raum, den du betreten darfst – vorsichtig, neugierig, ganz in deinem Tempo.
Und vielleicht findest du darin nicht nur einen Partner.
Sondern auch dich selbst.