BDSM und Gaslighting

Wenn Machtspiele toxisch werden – und wie du dich schützen kannst

Einleitung – Zwischen Vertrauen und Manipulation

BDSM basiert auf Vertrauen. Auf Kommunikation, Ehrlichkeit, gegenseitigem Respekt. Doch was passiert, wenn genau dieses Vertrauen ausgenutzt wird? Wenn Dominanz zur Kontrolle wird, Hingabe zur Waffe und Spiel zur seelischen Manipulation?

Gaslighting ist kein Spiel. Es ist eine psychische Missbrauchsform, die im Kontext von BDSM besonders perfide wirkt – weil sie sich hinter Rollen, Szenarien und scheinbarer Einvernehmlichkeit verstecken kann. In diesem Beitrag schauen wir genau hin: Was ist Gaslighting? Wie erkennt man es – und wie schützt man sich davor?

Was ist Gaslighting?

Wenn die eigene Wahrnehmung gezielt zerstört wird

Definition

Gaslighting ist eine Form psychischer Manipulation, bei der eine Person gezielt dafür sorgt, dass das Gegenüber an der eigenen Wahrnehmung, dem eigenen Verstand und den eigenen Gefühlen zweifelt. Typische Sätze sind:
• „Das bildest du dir nur ein.“
• „Du übertreibst wieder total.“
• „Das habe ich nie gesagt.“
• „Du bist zu empfindlich.“
• „Du erinnerst dich falsch.“

Ursprung des Begriffs

Der Begriff stammt aus dem Theaterstück „Gas Light“ (1938), später verfilmt. Darin bringt ein Mann seine Frau dazu, an ihrem Verstand zu zweifeln – unter anderem, indem er die Gaslampen dimmt und behauptet, es sei hell wie immer.

Im Kontext von BDSM ist das besonders heikel: Denn hier geht es um Rollenspiele, um Machtgefälle – und damit um eine Angriffsfläche für toxisches Verhalten unter dem Deckmantel des „Spiels“.

Gaslighting im BDSM – wenn Spiel zur Falle wird

Die perfekte Tarnung: Dom/Sub-Dynamiken

Eine Sub, die sich freiwillig unterordnet, verzichtet bewusst auf Kontrolle – zumindest innerhalb der Spielregeln. Doch genau hier beginnt das Risiko: Wenn der Dom oder die Domina diese Dynamik ausnutzt, um Kontrolle über die Realität der Sub zu gewinnen.

Typische Gaslighting-Situationen im BDSM-Kontext

• Nach einer Session: „Du hast das doch gewollt – du hast dich nicht gewehrt.“
• Bei Grenzüberschreitungen: „Das war kein echtes Nein – das war Teil des Spiels.“
• Nach emotionalen Reaktionen: „Du reagierst immer über – du weißt doch, wie das Spiel funktioniert.“
• Beim Hinterfragen von Macht: „Wenn du mir vertraust, stellst du keine Fragen.“

Der gefährlichste Satz: „Du bist keine echte Sub.“

Wer eine Sub entwertet, ihre Rolle, ihr Gefühl, ihre Grenzen – der will nicht führen, sondern kontrollieren. Das hat nichts mit Dominanz zu tun. Das ist Manipulation. Missbrauch. Und es muss als solcher benannt werden.

Warum Gaslighting im BDSM so schwer zu erkennen ist

Machtgefälle als Deckmantel

„Das gehört dazu“, „Das muss so sein“, „Nur wer sich ganz hingibt, erlebt echte Tiefe.“ – viele Glaubenssätze innerhalb der Szene können missbraucht werden, um Grenzen zu überschreiten und Gaslighting zu tarnen.

Die Rolle als Schutzschild

Ein Dom, der missbraucht, sagt oft: „Ich bin halt hart.“ Eine Sub, die leidet, denkt: „Ich muss das aushalten, um eine gute Sub zu sein.“ Die Rollen werden zur Falle. Die Inszenierung wird zur Realität. Und die Manipulation bleibt oft unerkannt – manchmal jahrelang.

Innere Zweifel werden zur Norm

Wer regelmäßig hört, man übertreibe, sei empfindlich, „nicht submissiv genug“, beginnt irgendwann, sich selbst zu misstrauen. Und das ist genau das Ziel von Gaslighting: die Kontrolle über die Wirklichkeit des anderen.

Die psychischen Folgen – wenn Vertrauen zerbricht

Verlust der Selbstwahrnehmung

Gaslighting zerstört das Selbstvertrauen. Betroffene zweifeln an ihrem Gedächtnis, ihrer Wahrnehmung, ihren Gefühlen. „Vielleicht war ich wirklich zu empfindlich?“ – ein Gedanke, der sich tief ins Denken frisst.

Angst, erneut verletzt zu werden

Viele Menschen, die Gaslighting im BDSM erlebt haben, berichten von anhaltenden Ängsten. Angst vor neuen Partner*innen. Angst, erneut manipuliert zu werden. Oder Angst, überhaupt eigene Wünsche zu äußern.

Scham und Schweigen

Das schlimmste: Viele trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Aus Scham, „darauf reingefallen“ zu sein. Doch das Schweigen macht krank. Und einsam.

Wie erkenne ich Gaslighting im BDSM?

10 Warnsignale, auf die du achten solltest

1. Du wirst regelmäßig als „überempfindlich“ bezeichnet.
2. Deine Grenzen werden „als Spiel“ abgetan.
3. Du wirst für deine Reaktionen beschämt oder lächerlich gemacht.
4. Du erinnerst dich an etwas – aber man behauptet, es sei nie passiert.
5. Du wirst unter Druck gesetzt, etwas zu tun, das du nicht willst.
6. Du hast das Gefühl, du kannst es nie „richtig“ machen.
7. Kritik wird umgedreht: „Du bist das Problem, nicht ich.“
8. Deine emotionale Reaktion wird als Schwäche ausgelegt.
9. Du wirst isoliert: „Andere verstehen das eh nicht.“
10. Du beginnst, dir selbst nicht mehr zu vertrauen.

Wenn mehrere dieser Punkte zutreffen: Sprich mit jemandem. Am besten mit jemandem außerhalb der Dynamik. Ein Stammtisch, eine Community oder sogar eine Therapeutin.

Möglichkeiten der Bewältigung – dein Weg zurück zu dir

Schritt 1: Nimm dich ernst

Wenn etwas sich falsch anfühlt – dann ist es das oft auch. Deine Gefühle sind nicht falsch. Deine Tränen sind keine Schwäche. Und deine Fragen sind berechtigt.

Schritt 2: Hol dir Unterstützung

Niemand muss allein da durch. Sprich mit anderen, die sich mit BDSM auskennen. Es gibt Stammtische, Online-Communities, Coaches, Therapeut*innen mit BDSM-Erfahrung. Isolation ist der Boden, auf dem Gaslighting wächst. Verbindung ist das Gegengift.

Schritt 3: Grenzen (neu) setzen

Auch wenn du dich getrennt hast: Du darfst dir Zeit nehmen, um deine Grenzen wiederzufinden. Nichts muss „wie früher“ sein. Du darfst dich neu sortieren. Neu entdecken. Ohne Druck. Ohne Spiel. Nur du.

Schritt 4: Rückfallfrei reflektieren

Viele fragen sich: „War ich selbst schuld? Habe ich das provoziert?“ Die Antwort ist: Nein. Manipulation ist niemals die Schuld des Opfers. Und BDSM ist keine Rechtfertigung für Übergriffe.

Wie die Community helfen kann – und muss

Verantwortung beginnt in der Szene

Wir müssen Gaslighting als das benennen, was es ist: Missbrauch. Auch – oder gerade – in einer Szene, die auf Vertrauen basiert. Wegsehen darf keine Option sein.

Dom ist kein Freifahrtschein

Ein echter Dom führt. Er respektiert. Er schützt. Er reflektiert. Wer stattdessen kontrolliert, lügt, dreht und entwertet, hat in der Szene keinen Platz. Punkt.

Subs sind nicht „weniger“ – sie sind gleichwertig

Eine gute Szene lebt von Gleichgewicht – auch wenn das Machtgefälle gespielt ist. Eine Sub, die sich hingibt, ist nicht „schwach“. Sie ist mutig. Wer das ausnutzt, gehört nicht in die Community – sondern an die Öffentlichkeit gestellt.

Fazit – BDSM ist kein Schutzraum für Manipulation

Gaslighting zerstört nicht nur Beziehungen – es zerstört Menschen. Und gerade im BDSM ist das Risiko besonders hoch, weil viele ihre Machtspiele nicht reflektieren – oder absichtlich ausnutzen.

Wir müssen reden. Wir müssen aufklären. Und wir müssen Betroffene stärken. BDSM ist keine Einladung zur psychischen Gewalt. Es ist ein Raum für Vertrauen, Tiefe, Verbindung. Und der beginnt mit einem einzigen, klaren Satz:

„Ich sehe dich – und ich glaube dir.“

Hilfe bei Verdacht auf Gaslighting: siehe „Checkliste für Betroffene

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